Ich habe nicht vergessen woher ich komme. Ich habe nicht
vergessen wer ich mal war. Und ich werde nie vergessen, wie viel Angst ich damals
hatte, als ich die Grenze meines Landes zum ersten Mal hinter mir liess.
Vor fast 42 Jahren kam ich in die Schweiz. Belgrad – Zürich,
einfach. Es ist nicht besonders schwer Fuss zu fassen, wenn man jung und hübsch
ist, hohe Absätze trägt und viel Bauch zeigt. Eine angeborene Redseligkeit kommt
auch gut an. Trotz Schwarzenbach Initiative fühlte ich mich in diesem Land von
Anfang an willkommen. Den Fremdenhass lernte ich nicht kennen. Ich spürte eher
eine Distanz, mit der mir die Schweizer anfänglich begegneten, die mich aber
nicht störte. Die Schweizer waren mir ebenso gleichgültig wie ich ihnen auch.
Heute, bei meinem Spaziergang mit dem Hund, sah ich einen unbekannten
Mann. Er stand auf einer kleinen Anhöhe am Dorfrand und sah in die Ferne. Seine
Hautfarbe und sein Aussehen verrieten einen Asylsuchenden. Seit einiger Zeit leben
sie in unserem Dorf, aber ich habe noch nie einen von ihnen gesehen. Mit einer
sichtbaren Portion Distanz näherte ich mich dem fremden Mann. Meinen Hund rufe
ich bei Fuss, Ausländer haben Angst vor Hunden, habe ich gehört. Als wir nur
noch einige Schritte von ihm entfernt waren, drehte er sich um. Noch nie bin
ich einem so offenen, fröhlichen Blick am Sonntagmorgen auf meinem Spaziergang
begegnet.
„Guten Morgen!“, sagte er. Ein breites Lächeln begleitete
seine Worte. Da hat die Integrationsbehörde einen guten Job gemacht, dachte ich
und grüsste freundlich zurück.
Einige Schritte weiter schaute ich zurück. Er blickte wieder
in die Ferne. Ich erinnerte mich plötzlich an meine Anfänge in der Schweiz. Wie
oft habe ich in die Ferne geschaut und an meine Heimat gedacht! Obwohl ich sie freiwillig
verlassen hatte, vermisst habe ich sie ständig. Vielleicht ist dieser junge
Mann auch freiwillig gegangen. Vielleicht war er gar nicht bedroht. Vielleicht
ist er ein sogenannter Wirtschaftsflüchtling. Wer weisst das schon? Ich kann
das nicht beurteilen. Was ich kann, ist ein Mensch ohne Vorurteile zu sein. Ein
Mensch der denken kann. Und ganz ehrlich: Würden wir nicht auch versuchen unser
Glück zu finden, wenn wir nicht in der glücklichen Lage wären, in einem reichen
Land zu Hause zu sein?
Deshalb liebe Freunde, seid nicht über die Asylsuchenden
verärgert. Sie sind nicht eure Feinde. Sie versuchen nur das Beste aus dem Leben,
das ihnen zugeteilt ist, zu machen. Sie sind nicht schuld, dass der Wohlstand
auf unserem Planeten ungerecht verteilt ist. Der Wohlstand ist wie ein riesengrosser
Kuchen auf den jeder den gleichen Anspruch hat. Doch sobald sich jemand ein grösseres Stück
abschneidet, bleibt für einen anderen weniger, oder gar nichts übrig.
Deshalb liebe Milliardäre, Diktatoren und sonst Mächtige
dieser Welt, denkt daran, der Wohlstands-Kuchen ist für alle da! Bevor ihr euch
ein riesengrosses Stück, an dem ihr fast erstickt, in den Hals stopft, lasst
den anderen auch etwas übrig. Der Kuchen gehört nicht nur euch. Wenn jeder auf
dieser Welt das bekäme was ihm zusteht, müsste man keine Zäune errichten, keine
Asylzentren bauen, keine Steuergelder vergeuden.
In diesem Sinne, Frohe Festtage!
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