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Samstag, 25. Juli 2020

Nette Menschen gibt es überall



Ich möchte heute eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte die mich sehr berührt hat. Positiv berührt.

Diese Geschichte ist interessanter, wenn man sie von hinten erzählt. Also zuerst das Ende.

Ich war mit meinem Hund im Auto unterwegs. Er ist alt und mag nicht mehr soweit laufen wie früher. Bei Hitze sowieso nicht. So fahre ich mit ihm meistens zu unserem Lieblingsfluss und lasse ihn zuerst baden, bis er genügend abgekühlt ist, dass er laufen mag. So war es auch heute.

Als ich auf dem Parkplatz anhielt, hielt ein anderer Wagen neben mir. Der war mir schon auf der Strasse aufgefallen. Er blieb mir auf den Fersen, als ob er mich verfolgen würde. Die Scheibe ging runter. Zwei Männer um die vierzig sassen drin. Ich habe ein gutes Auge für meine Ex-Landleute vom Balkan. Das waren Albaner – war ich mir sicher. Und prompt folgte im gebrochenen Deutsch «Entschuldig, darf ich etwas fragen?»

Einen Augenblick stutze ich. Machen die auch schon ältere Frauen an?

«Ja?» Meine Antwort kam nur zögernd.

Der Mann, der auf meiner Seite sass, hielt ein braunes Leder-Portemonnaie in der Hand. Das kam mir irgendwie bekannt vor. Er zog eine Identitäts-Karte daraus und hielt sie mir hin.

«Du kennen diese Mann?», fragte er.

Ein kalter Schauer ging mir den Rücken runter. Das war die Identitätskarte von Richi, meinem Mann.

«Woher haben Sie die?» Doch noch bevor ich es ausgesprochen hatte, erinnerte ich mich.

Zehn Minuten zuvor öffnete ich zu Hause die Tür meines Autos in der Garage und hielt die Beifahrer-Seite weit offen, damit mein alter Hund besser einsteigen kann. Zugleich bemerkte ich, dass mein Mann sein Portemonnaies in Auto vergessen hat, als er einkaufen ging. Immer dasselbe, regte ich mich auf. Warum nimmt er es nicht in die Hosentasche? Ich befürchtete, dass er mal mit unserem anderen Auto einkaufen geht und kein Geld dabei hat – wie es auch schon passierte. So nahm ich es in die Hand mit der Absicht es in die Küche auf den Tisch zu legen. Da aber der Hund Mühe zum Einsteigen hatte, legte ich das Portemonnaies auf das Dach des Autos, um dem Hund mit beiden Händen helfen zu können. Schon in diesem Augenblick fragte ich mich ob das schlau ist, es auf das Dach zu legen. Hoffentlich werde ich daran denken, und fahre nicht einfach los.

Und nun wusste ich, dass ich nicht mehr daran gedacht hatte, sondern einfach losgefahren bin. Ich führ etwa zehn Minuten mit der Geldbörse auf dem Dach. Und wenn ich nicht bei einer Stop-Strasse hätte stark Gas geben müssen, wäre es wahrscheinlich immer noch dort.

«Wo war es runtergefallen?», fragte ich.

«Bei LIDL», antwortete der Mann.

Genau so wie ich gedacht hatte. Nach dem Stop.

«Ich weiss nicht, wie ich es ihnen danke soll!», stotterte ich bewegt. «Das ist so nett von Ihnen! Danke Tausend mal!»

«Kein Problem!», sagte er. «Du vielleicht nochmal bei LIDL gehen, vielleicht noch etwas am Boden. Ich keine Zeit zum Schauen. Viel Autos. Ich nur schnell aussteigen, nehmen und wieder losfahren.»

«Ja, das werde ich tun. Danke!»

Ich schaute ins Portemonnaie. Es waren nur 40 Franken drinnen. Aber der ganze Aufwand mit dem Sperren von Karten und erstellen von neuen blieb uns so erspart.

Ich nahm eine 10-er Note heraus und hielt sie ihm hin.

«Nein, sicher nicht!» Wehrte er ab.

«Aber mir bedeutet das viel, dass Sie es mir gebracht haben!»

«Nein! Du muss nichts geben!»

«Doch», antwortete ich und legte ihm die Note auf das Armatur Brett. «Ihnen steht ein Finderlohn zu.»

Ich weiss nicht, wie oft ich mich bei den Männern bedankt hatte bis sie sich verabschiedeten uns losfuhren.

«Es gibt immer noch anständige Leute!», dachte ich und machte mich mit einem angenehmen Gefühl auf den Weg. «Egal ob Schweizer, oder Ausländer.»


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