Tag 7
Alejandro
Und nun wer ist dieser Alejandro Patino? Und was habe ich
mit ihm zu tun?
Alejandro ist ein Philanthrop – eine den Menschen bzw. der
Menschheit freundlich gesinnte Person. Hat mal ein Freund von ihm gesagt.
Besser könnte man ihn nicht beschreiben. Alejandro ist ein amerikanischer
Schauspieler. Doch auf seine Karriere möchte ich hier nicht gross eingehen.
Darüber kann man in Wikipedia unter https://en.wikipedia.org/wiki/Alejandro_Patino lesen. Ich möchte den Mensch Alejandro
beschreiben.
Alles was Alejandro macht, macht er leidenschaftlich. In den
jungen Jahren tanzte er. Ich habe eine Ballett-Nummer mit ihm gesehen. Er
bewegte sich elegant mit unendlich viel Grazie. Seit ich seine Familie tanzen
gesehen habe, weiss ich – den Patinos liegt das Tanzen im Blut. Alejandro singt
auch sehr gut und sehr gerne. Er spielt auch Gitarre.
Er liebt Sozialen Medien. Nein, er liebt sie nicht nur, er
lebt darin. Er ist omnipräsent im Facebook und Instagram, Twitter braucht er
nur für seine politischen Meldungen. Er setzt sich für die Uramerikaner, für
die Arbeiter, für die Gewerkschafter, für seine Freunde die gerade für ein
Projekt Werbung machen. Er postet lustiges, kurioses, ernstes, trauriges. Oft
grüsst er seine Freunde persönlich im Facebook, wenn er sieht, dass sie online
sind. «Good mornig! How are you doing?» Er ist mit ganzer Welt befreundet. Auch
mit meiner Mutter, meiner Schwester, meiner Nichte, meinem Ehemann. Er liebt es
Freundschaften zu schliessen!
Als Schauspieler finde ich ihn grossartig. Er redet mit
seinem Gesicht. Wofür andere mehrere Sätze brauchen, schafft er es mit einem
einzigen Gesichtsausdruck. Ich bin überzeugt, dass der Grund warum er nie den
grossen Schauspielerischen Durchbruch geschafft hat, nicht an seinen
schauspielerischen Qualitäten lag. Es lag an seinem Aussehen, meiner Meinung
nach. Alejandro hat ein typisches mexikanisches Gesicht. Er ist sozusagen der
Prototyp eines Mexikaners. Das reduziert natürlich das Angebot der Rollen
enorm. Er kann nur den Mexikaner spielen! Und wenn man ehrlich sein will, sind
solche Rollen oft ziemlich stereotyp.
Grosses Glück hatte Alejandro als er die Hauptrolle im «Papi
Chulo» bekam. Er spielte auch hier einen Mexikaner aber diese Rolle war alles
andere als stereotyp. Er spielte Ernesto, einen mexikanischen Tagelöhner, der
täglich vor einem Handwerker Laden auf temporäre Jobs wartete. Eines Tages nahm
ihn Sean, ein berühmter Wettermann aus LA mit. Er sollte seine Terrasse
streichen. Obwohl Ernesto nicht English sprach und Sean nur einzelne Wörter
Spanisch, entwickelt sich bald eine Freundschaft zwischen den zwei ungleichen
Männern. Das war die perfekte Rolle für Alejandro! Da er nicht viel reden
konnte, musste er seine Gefühle und seine Gedanken mit dem Gesichtsausdruck
zeigen. Und das ist seine Stärke! Ich finde den Film grossartig! Nicht zuletzt
wegen der Performance von Alejandro.
Die Rolle von Sean spielte Matt Bomer, der aus Serien wie
«White Collar» und «The Last Tycoon», sowie aus Film «Magic Mike» bekannt ist. Zu
jener Zeit war ich ein grosser Fan von Matt Bomer. Ich verfolgte alles über ihn
und hatte bereits einige Kontakte mit den anderen Fans, unter anderem mit
seinem wahrscheinlich grössten Fan auf der Welt, Patricia aus Wien. Wir lernten
uns in New York kennen, als Matt Bomer am Brodway spielte. Wir verstanden uns
auf Anhieb und entschieden uns, von nun an Matt gemeinsam nachzureisen, wenn er
einen öffentlichen Auftritt hat. Bald hörten wird, dass er in einem Film namens
«Papi Chulo» eine Rolle bekommen hatte, zusammen mit Alejandro Patino einem
amerikanischen Schauspieler mit mexikanischen Wurzeln.
Da Matt Bomer 600 000 Follower im Twitter hatte, war es fast
unmöglich von ihm wahrgenommen zu werden. Umso einfacher war es mit Alejandro
Patino in Kontakt zu treten. Er hatte nur 800 Follower und war noch auf Support
der Fans angewiesen. Bald waren wir mit ihm in Twitter, Instagram und Facebook
befreundet. Ich gebe es zu, am Anfang war es reines Kalkül. Wir erhofften uns
durch Alejandro auch an Matt näher ranzukommen, wenn wir zu der Premiere reisen
werden. Doch wie länger wir per Sozialen Medien kommunizierten, umso mehr war uns
Alejandro nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Mensch sympathisch. Als
es bekannt wurde, dass «Papi Chulo» an einem Festival in London gezeigt wird, begannen
Patricia und ich unsere Reise zu planen. Wir fragten Alejandro, ob er mit uns
in London etwas trinken würde und er sagte zu. Mann waren wir stolz! Wir waren
mit einem Hollywood Schauspieler verabredet! Einem der sogar Matt sehr gut
kannte. Er wurde sozusagen zu Brücke zwischen uns und Matt. Doch wir waren uns bis zuletzt nicht ganz
sicher, ob das Treffen wirklich stattfinden wird, oder ob Alejandro das nur so
sagte.
Am Tag der Premiere warteten einige Hundert Fans auf die
Schauspieler vor dem Kino. Die meisten warteten auf Matt Bomer. Patricia und
ich hielten Ausschau auch nach Alejandro. Plötzlich kam er zu Fuss über den
Platz. Teilweise wurde er gar nicht wahrgenommen, im Gegensatz zu Matt der sich
von Fans nicht retten konnte. Er erkannte uns sofort.
«Ah, du bist Patricia! Und du Katia!», rief er erfreut. Wir
machten Fotos und wechselten einige Worte. Inzwischen haben ihn die anderen
«Papi Chulo» Fans auch entdeckt und es ging los mit Selfies und Autogrammen.
«Ich sehe euch nach dem Kino», sagte er zu uns bevor wir uns
in Richtung Matt, der gerade über den Platz lief, bewegten. «Wartet hier. Ich
werde euch da abholen.»
Bis zuletzt war ich mir nicht sicher, ob er wirklich kommt.
Doch er kam. Er umarmte mich und Patricia und lief mit uns durch die ganze
Fangemeinde, die sich noch auf dem Platz taumelte. Eva, ein anderer Fan von Matt
aus Holland, die mit uns zusammen nach London kam, war aber gerade weg. Da wir
nicht wussten wo sie gerade war, gingen wir ohne sie. Alejandro war nicht
alleine. Er hatte Donald, einen Freund dabei, den er aus LA kannte und der
jetzt in London wohnte.
«So Girls», fragte uns Alejandro. «Wohin möchtet ihr gehen?»
«Keine Ahnung», antwortete ich. «Hast du Hunger? Oder gehen
wir nur was trinken?»
«Etwas essen möchte ich schon», sagte er.
Wir liefen gerade an einer grossen Bar vorbei. Dort schien
ziemlich viel los zu sein.
«Wollen wir mal hier rein?», sagte er.
«Ok. Warum nicht?»
An der Tür hielt uns Security auf.
«Zu der Papi Chulo After Party», sagte Alejandro zu dem
Mann.
Er liess uns durch – alle vier.
Alejandro ging voraus, dann Donald und am Schluss Patricia
und ich.
«Hast du das gehört?», flüsterte ich in Patricias Ohr. «Er
nimmt uns zu der Papi Chulo Party!»
Unser kühnster Traum ging in Erfüllung! Wir werden bei der
After Party "unseres" Filmes sein. Gemeinsam mit Matt und Alejandro den
Hauptdarstellern. Wir konnten unser Glück kaum fassen.
Als wir in den ersten Stock ankamen, sahen wir Matt sofort.
Er war an der Theke vertieft im Gespräch mit jemanden. Wir setzen uns an einen
Tisch in der Nähe. Alejandro brachte uns Essen und Trinken. Als wir alle etwas
in der Hand hatten, setze er sich zwischen mir und Patricia und sah uns an.
«Da habt ihr euren Matt!», sagte er lachend und zeigte auf
Matt. «Ich weiss, dass ihr euch mit mir verabredet habt, nur an ihn
ranzukommen.»
«Das ist sicher nicht deswegen!», protestierten wir
halbherzig.
«Nein?» Er lachte schelmisch. «Und wenn es so wäre, hätte
ich damit kein Problem.»
Das lockerte die Stimmung. Wir sahen Alejandro plötzlich mit
anderen Augen. Er nahm an, dass wir über ihn am Matt rankommen wollten und ging
mit uns trotzdem zu der Party! Was für ein netter Mensch!
Nach einer Weile gingen Donald und Alejandro plötzlich weg.
Wir sahen es, dass sie mit Matt Fotos machten.
«Wir dürfen jetzt nicht zu Matt», sagte ich zu Patricia
schnell bevor sie zurückkamen. «Wir sind mit Alejandro gekommen. Wir müssen ihm
beweisen, dass wir uns nicht nur wegen Matt mit ihm getroffen hatten.»
So war es auch. Wir lachten, machten Fotos und hatten viel
Spass mit Alejandro. Auch ohne Matt.
«Was meinst du», sagte Patricia plötzlich zum Alejandro.
«Besteht eine Möglichkeit, dass wir ein Foto mit Matt machen?»
«Of course!», sagte Alejandro und sah sich gleich nach Matt
um.
Plötzlich sahen wir, dass Simon, der Ehemann von Matt kam
und zu Matt etwas sagte. Gleich darauf machten sie sich auf den Weg. Sie gingen
an uns vorbei. Alejandro rief seinen Namen, doch die waren sehr in Eile und
haben ihn gar nicht gehört.
Etwas später machten auch wir uns auf den Weg.
«Schade, dass wir drinnen nicht richtig reden konnten»,
sagte ich als es draussen etwas ruhiger wurde.
«Wenn ihr möchtet, können wir uns morgen zum Frühstück
treffen», sagte Alejandro.
Klar wollten wir das!
«Ich hole euch ab», sagte er. «Hier ist meine Telefonnummer.
Ruft mich an, wenn ihr bereit seid.»
Wir tauschten die Telefonnummer und verabschiedeten uns.
Auf dem Weg zum Hotel konnten wir unser Glück kaum fassen.
Wir hatten etwas erreicht, dass kein Fan von Matt Bomer je erreichen wird. Wir
waren an gleicher Party mit ihm! Und wir hatten die Telefonnummer von
Alejandro, einem Hollywood Schauspieler. Er wird uns morgen in unserem Hotel
abholen. Das war unglaublich. Wir spürten eine tiefe Dankbarkeit Alejandro gegenüber.
Ich glaube für mich fing unsere Freundschaft an jenem Abend an.
Doch am nächsten Morgen kam eine SMS von ihm, dass er ein
Termin gleich nach dem Frühstück hat und leider nicht kommen kann. Aber am
Abend nach der Vorstellung könnten wir zusammen essen gehen, falls wir Zeit
haben. Natürlich hatten wir Zeit!
Am Abend sassen wir in der ersten Reihe im Kino. Nach dem
Film kamen Matt, Alejandro, der Regisseur, die Produzentin und der Organisator
auf der Bühne. Die standen nur einige Meter von uns entfernt. Ich machte
unzählige Fotos, während sie Fragen der Fans beantworteten. Als sie nach der
Fragerunde nach draussen gingen, kam Alejandro plötzlich auf mich zu. Er nahm
meine Hand mit den seinen und entschuldigte sich, dass er am Morgen absagen
musste. Er hat noch schnell einen Termin aber wir sollen schon mal irgendwo
gehen. Er kommt nach. Zwei Hundert Paar Augen im Kino waren auf uns gerichtet.
Mann war ich stolz!
Wir verbrachten einen wunderschönen Abend zusammen. Auch die
dritte im Bunde, Eva, war diesmal dabei. Wir gingen mexikanisch essen.
Alejandro als Mexikaner wusste was und wie man bestellen muss. Wir lachten
viel. Ich wollte ständig Eva, die ledig ist, mit Alejandro verkuppeln. Irgendwann
im Verlaufe des Abends wurde der Status «Fans» offiziell in «Freunde»
umgewandelt. Wir verabschiedeten uns herzlich. Bald werden wir uns wiedersehen,
war abgemacht. Wenn «Papi Chulo» nach Dublin kommt.
Im Februar 2019 war es so weit. «Papi Chulo» kam nach
Dublin. Patricia und ich reservierten ein Zimmer im gleichen Hotel wie
Alejandro. Wir verbrachten fast die ganze Zeit miteinander. Wenn Alejandro
keine Termine hatte, war er mit uns zusammen. Die Freundschaft wuchs. Obwohl er
mehrheitlich gewarnt wurde, sich nicht mit Fans einzulassen, stand er zu uns.
Er nahm uns sogar nach der Kinovorführung im Auto mit, das ihm samt Chauffeur
zur Verfügung stand. Am letzten Tag nahmen wir gemeinsam in unserem Hotel das
Frühstück und dann ging jeder seinen Weg: Patricia flog zurück nach Wien,
Alejandro nach Glasgow und ich nach Edinburgh.
Bereits einen Tag später meldete sich Alejandro bei mir. Er
käme mit Donald und Michael, einem Freund aus Amerika nach Edinburgh. Ob ich
Lust habe den Tag mit ihnen zu verbringen. Natürlich hatte ich Lust! Wir
verbrachten einen sehr schönen Tag zusammen. Nun hatte ich definitiv einen
Freund in Hollywood. Auch Michael und Donald waren sehr nett. Was mir an
Alejandro besonders gefiel, er überschritt nie eine Grenze. Egal in welcher
Richtung. Er war immer höflich, freundlich, lustig. Er war für jeden Spass zu
haben. Irgendwann kam die Frage seiner Kollegen in welcher Beziehung Alejandro
und ich stehen.
«Wir sind Freunde», antwortete er.
«Nur Freunde?», fragte Michael. «Wie ist das möglich?»
«Erstens ist Katia verheiratet. Und zweitens, möchten wir
die gute Freundschaftliche Beziehung behalten.»
Ich war froh, dass er das auch so sieht. Doch es wurde mir
auch bewusst, dass die meisten Menschen diese Freundschaft nicht verstehen
werden. Weil wir Mann und Frau sind. Doch ich sehe in Alejandro einen Freund,
Bruder. Seit ich seine Familie kennengelernt habe, umso mehr. Das sind so nette
Menschen! So ähnlich unseren Menschen vom Balkan. Ich werde nie vergessen, dass
er mich und Patricia zu der Papi Chulo Party mitgenommen hat. Er hat uns damit
eine Tür geöffnet die für uns sonst nie aufgegangen wäre. Wir haben etwas
erlebt, dass man nie vergisst. Er hatte immer zu uns gestanden, auch nachdem
man ihn vor den Fans gewarnt hatte. Darum wollte ich unbedingt zu seinem
Geburtstag gehen. Ich wollte damit einfach danke sagen. Danke für alles! Danke
für die Freundschaft. Schade, dass Patricia wegen dem Corona Virus ihr Flug
stornieren musste. Schade, dass ich so schnell wieder wegmusste. Alejandro,
Patricia und ich hätten sicher wieder eine Menge Spass miteinander!
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