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Freitag, 20. März 2020

Mein Trip nach LA in der Corona Zeit - Teil 4


Tag 4




 

Auch in dieser Nacht hatte ich kaum geschlafen. Eine Weile versuchte ich nochmals einzuschlafen. Ohne Erfolgt. Ich zündete das Licht an und holte mein Handy. Alejandro war schon online. Wahrscheinlich konnte er nicht schlafen, weil er mir sein Zimmer überlassen hatte. Eine Weile klickten wir uns gegenseitig im Instagram und Facebook an. In was für einer komischen Welt wir leben, dachte ich. Wir waren im gleichen Haus und konnten beide nicht schlafen. Aber jeder glotzte in sein Handy, anstatt aufzustehen, in die Küche zu gehen, einen Kaffee zu machen, und sich zu unterhalten.

Ich wartete bis 8 Uhr, bis ich in den Wohnbereich ging. Ich wollte nicht die erste sein. Doch die Familie sass schon vor dem Fernseher, als ich reinkam. Alejandros Tante stand sofort auf und ging zum Kochherd. Bald zauberte sie für uns feine Tortillas mit Zimt. Dazu gab es Kaffee mit Milch und feine Cookies. Ich fühlte mich Jahre zurück versetzt in die Zeit als meine Grossmutter noch lebte und ich bei ihr zu Besuch war. Grundsätzlich sind Mexikaner genauso gastfreundlich wie Ex-Jugoslawen. Die Tante bekochte uns und der Vater unterhielt sich mit mir über den Gott und die Welt. Nicht über Corona.  Obwohl im Fernsehen ständig über das Virus berichtet wurde, hörte dem niemand zu. Die Patinos lebten in einer eigenen Welt.

Juan Patino ist ein aussergewöhnlicher Mensch. Fröhlich, lustig, intelligent und mit seinen 85 Jahren immer noch temperamentvoll. Er war früher viel gereist und dem entsprechend war er offen und interessiert für Neues. Er wusste viel zu erzählen. Auch war er der erste Mensch den ich im Ausland traf, der die Schweiz nicht mit Schokolade oder mit Banken assoziierte. Er verband die Schweiz mit den Kühen. Er wusste genau wie eine Schweizer Kuh aussehen sollte. Er wünscht sich irgendwann die Schweiz und Holland zu sehen. Senor Patino liebt Musik. Er singt leidenschaftlich gerne Karaoke. Nach dem Frühstück schaltete er eine riesengrosse Musikanlage ein und brachte eine Schachtel mit mehreren Mikrofonen. Minutiös suchte er das richtige aus und richtete den Fernseher so ein, dass er dort den Text sehen kann. Aus tiefster Seele sang er melancholische mexikanische Lieder die von Liebe, Einsamkeit und dem Tod handelten. Ich hörte ihm gebannt zu und wünschte mir ich hätte mal einen solchen Vater gehabt. Ich beneidete Alejandro um ihn – nicht nur um ihn, sondern auch um die ganze Familie. Was für ein Zusammenhalt! Ich fand es schade, dass ich sie bald verlassen musste.

Ich habe vergessen zu sagen, dass ich am Morgen als ich nicht schlafen konnte, bereits einen Retour-Flug in die Schweiz für den nächsten Dienstag, den 17. März, gebucht hatte. Ich wollte ursprünglich bis zum 28. bleiben. Ich musste einen Flug über London buchen, da Swiss nicht mehr USA anfliegen durfte. England und Irland stufte Präsident Trump nicht so gefährlich ein wie den Rest von Europa. Ich machte mir zu diesem Zeitpunkt noch keine Sorgen. Ich war nur traurig, dass meine so lang ersehnte Ferien ins Wasser gefallen waren.

Zum Mittagessen machte Papa Juan für uns Burritos. Das waren meine ersten richtigen Burritos. Ich liebte sie auf Anhieb. Etwas später kam Alejandros Schwester mit ihrem Mann. Sehr sympathische Leute. Wir unterhielten uns in einem fliessenden Mix aus Spanisch und Englisch. Alejandro erzählte mir, dass die Leute die mich nach der Party wieder nach LA fahren sollten, wegen der Grippe abgesagt hatten. Es sah aus, als ob ich noch eine Nacht bei den Patinos bleiben sollte. Das machte mir nichts aus. Im Gegenteil. Ich freute mich darauf.

Nach dem Mittag machten wir uns alle hübsch und gingen zusammen über die Strasse. Die Schwestern von Alejandro haben tolle Arbeit geleistet! Alles war im Hollywood Stiel eingerichtet, mit viel Glanz und Glamour. Es gab einen Red Carpet wo man sich mit Alejandro fotografieren konnte und ein Walk of Fame mit wichtigsten Filme in denen er gespielt hatte. Just auf die Party hat der Regen aufgehört. Die Gäste konnten einen Spaziergang durch den schönen, grossen Garten machen und die Kinder auf dem Spielplatz spielen. Wir waren kaum eine viertel Stunde dort als ich hörte das Papa Juan bereits Karaoke sang. Die Gäste kamen nach und nach. Ich schätze es waren etwa 100. Eine illustre Schar der Amerikaner mit latinischen Wurzeln. Die meisten unterhielten sich auf Englisch, obwohl immer wieder einige Spanische Wörter dazwischen rutschten. Gegen Abend ging die Party so richtig los. Zumindest für die Frauen. Wir standen im Kreis und tanzten, jede für sich. Aber immer wieder musste eine in die Mitte gehen und eine Solo Nummer vorführen, angefeuert von den anderen. Bald gesellte sich auch Papa Juan zu uns. In seinem tadellosen dunklen Anzug und seinem eleganten Hut sah er umwerfend aus. Langsam aber voll im Rhythmus tanzte er, angefeuert von Frauen jeden Alters. Man sah es ihm an, wie gerne er tanzte. Sein ganzer Körper tanzte mit. Ich tanzte die ganze Zeit. Das Tanzen hatte den Vorteil, dass man nicht fror. Inzwischen wurde es kühl draussen.

Und was wurde aus meinem Vorhaben «Sozial Distancing» einzuhalten? Unmöglich! Anfangs versuchte ich es noch den Leuten die ich kennengelernt hatte nicht die Hand zu geben, natürlich mich immer auf Corona berufend. Die meisten aber hielten wie Alejandro alles für Panikmacherei. Sie küssten sich und umarmten ohne Bedenken. Nicht einmal der 85-Jährige Juan Patino wurde davon verschont. Irgendwann gab ich auch auf. Es war unmöglich sich zu distanzieren, ohne sich lächerlich zu machen. Ich verbannte Corona aus meinen Gedanken und genoss das Fest in vollen Zügen. Und das war gut so.  HHHdjskjd

Fortsetzung folgt…

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