Zum ersten Mal seit vielen Jahren verbringe ich den 1.
November in Serbien.
„Ich besuche am Sonntag die Gräber in Boka und Konak. Kommst
du auch mit?“, fragte meine Mutter gleich nach meiner Ankunft einige Tage zuvor.
Mein ganzer Körper, und mein Geist, sträuben sich dagegen –
ich vermeide Friedhofbesuche so gut ich kann. Doch da ich sowieso vor habe, die
Verwandten in diesen Dörfern zu besuchen, gehe ich mit. Den Wagen meiner Mutter
fährt ihr Freund Vasa. Das war meine Bedingung. Ich möchte noch einige Jahre
leben.
Die Reise nach Konak dauert 40 Minuten. Mutter und Vasa
streiten die ganze Zeit über die Fahrkünste meiner Mutter. Ich würde seine
Argumente gerne unterstützen, darf aber nicht. Sonst eskaliert die Sache
womöglich noch und sie besteht darauf, selbst zu fahren.
Wir besuchen zuerst die Gräber meiner Verwandten vaterseits.
Mutter verteilt teure Blumenarrangements auf die Marmorplatten. Ich frage mich
ob das wirklich nötig ist, das Grab von den Ex-Schwiegereltern mit teuren Blumen zu
schmücken, zumal sie nicht die Witwe ihres Sohnes ist - sie waren geschieden. Während
meine Mutter und Tante Lenka leise im Hintergrund beten, betrachte ich das Bild
meines Vaters auf dem schönen schwarzen Stein. Es wird mir bewusst, dass er in diesem
Jahr 85 geworden wäre. Doch er liegt seit 41 Jahre da. Ich versuche so etwas
wie Trauer in mir zu entdecken. Es gelingt mir nicht. Diese Wunde scheint
längst geheilt zu sein.
Tante Lenka hat für uns ein grossartiges Essen bereits
vorbereitet. Während wir auf die Suppe warten, trinken wir Schnaps. Für die
Toten. Und für uns. Nach der Suppe wird Fleisch aufgetischt. Gebratenes Poulet-,
Truthahn- und Schweine-Fleisch. Dazu gebratene Kartoffeln und Weissbrot. In
handbreite Scheiben geschnitten. Es riecht genauso wie es in meiner Kindheit
gerochen hat, wenn ich bei meinen Grosseltern auf Besuch war. Die Tante öffnet eine
2 Liter Flasche Bier. Ich protestiere.
„Wer soll das alles trinken?“, frage ich. Vasa und meine
Cousine Katica trinken keinen Alkohol.
„Keine Sorge.“, sagt meine Tante und füllt unsere Gläser.
Eine Stunde später sitzen wir bereits beim Kaffee. Man kann
wählen zwischen dem Türkischen und dem Nescafe. Zwei ganze Torten werden uns
zum Dessert serviert.
Auf dem Weg nach Boka spüre ich jede dieser Delikatessen
einzeln im Magen und frage mich wie wir drei „älteren“ Frauen die zwei Liter
Bier doch noch in uns reingequetscht haben.
Auf dem Friedhof in Boka weine ich zum ersten Mal - auf dem
Grab meiner Grossmutter Eva. Ja, wir standen uns sehr nahe, meine Grossmutter
und ich. Zugleich bin ich auch stolz, dass auf dem schwarzen Marmor ihres
Grabsteins ein Foto verewigt ist, das ich aufgenommen habe.
Der wunderschöne Tag hat die gesamte kroatische Gemeinschaft
auf den Friedhof gelockt. Es gibt nicht mehr viele Kroaten in unserem Dorf. Die
meisten von ihnen sind mit mir verwandt oder waren ein Teil meiner Kindheit. Einige
erkenne ich nur mit Mühe, einige gar nicht. Grosse Melancholie steigt in mir
auf, während der junge katholische Pfarrer der Verstorbenen gedenkt und an die
Leidenden erinnert. Die Vergänglichkeit des Lebens, die Macht des Vergessens und
meine eigene Bedeutungslosigkeit werden mir bewusst. Die allgegenwärtige Frage
nach dem Sinn des Lebens bleibt wieder mal unbeantwortet.
Der Rest der Reise ist nur noch den Lebenden gewidmet. Nach
einem Schnaps und einer Baklava bei meinem Cousin Ivan, bessert sich meine
Stimmung. Wir vergleichen das Leben in Serbien mit dem in der Schweiz. Ich bin
glücklich, dass mein Cousin seine „Schweiz“ in Serbien gefunden hat.
Am Schluss unserer Reise lernen wir das neuste Mitglied
unserer Familie kennen: den kleinen Stefan. 11 Tage alt. Es tut gut, nach so
viel Endlichkeit jemanden zu sehen, der erst am Anfang steht. Die Fröhlichkeit
seiner Eltern zu spüren. Und zu fühlen, dass in uns das gleiche Blut fliesst. Dass
wir zusammen gehören. Und ich begreife, dass durch den kleinen Stefan mein Blut
weiterfliessen wird. Auch dann, wenn ich längst nicht mehr da bin.
Svi Sveti
„U nedelju
su Svi Sveti. Ja idem da posetim grobove u Boki i Konaku. Hoces li i ti samnom?“, pitala me
mama odmah po dolasku u rodni kraj pre neki dan.
Celo telo i dusa pocinju da mi se bune protiv te pomisli. Ja
posete groblja izbegavam koliko god mogu. Takoreci se ni ne secam kad sam poslednji put za 1. novembar bila u
Srbiji. No posto ja i ovako imam nameru da posetim rodbinu, pristajem da idem s
njom i na groblje. Mamin auto vozi njen prijatelj Vasa a ne ona. To je
bio moj uslov. Zelela bih jos koju godinu da prozivim. Put do Konaka traje cetrdesetak
minuta. Mama i Vasa raspravljaju se sve vreme ko bolje vozi.
Po dolazku
u Konak posecujemo grobove sa oceve strane. Mama siri po mermernim plocama
skupe aranzmane od cveca a ja se pitam da li je stvarno potrebno da se grob od bivsih
svekra i svekrve ukrasava skupim cvecem pogotovo sto je ona bila razvedena od
njihovog sina, a ne njegova udovica.
Dok se mama
i tetka Lenka mole bogu, gledam sliku svog oca na crnom kamenu. Da je
ziv sada bi imao 85 godina. Medjutim on je davno umro. Pokusavam da otkrijem
bar malo tuge u sebi. Ne uspeva mi. Rane su izgleda vec odavno zarasle.
S groblja svracamo kod tetka Lenke na rucak. Dok cekamo da
se ukuva supa, pijemo rakiju. Za mrtve. I za nas. Posle supe sluzi nam se meso.
Pecena piletina, curetina i svinjetina. Uz to pecen krompir u rerni i beli hleb
nasecen debelo kao pola sake. Miris koji dopire iz kuhinje podseca me na
detinjstvo. Tetka otvara jednu flasu piva od dve litre. Ja protestujem.
„Pa ko ce
to sve popiti?“, pitam ja. Vasa i tetkina cerka Katica ne piju alkohol.
„Ne
brini.“, kaze tetka i puni case.
Sat kasnije pijemo kafu. Mozemo da biramo izmedju turske i
neskafe. Uz to dve cele torte.
Na putu za Boku osecam svaki od tih spezialiteta pojedinacno
u zelucu i pitam se gde smo nas tri „starije“ zene pored tolikog mesa i svo to pivo
strpale.
Na groblju u Boki placem prvi put – nad grobom moje bake
Evice. Da, mi smo bile veoma bliske, moja baka i ja. Istovremeno sam ponosna da
crni kamen njenog spomenika fotografija krasi koju sam ja snimila.
Predivan, topao dan privukao je veci deo hrvatske zajednice
na groblje. Ali ih nema vise puno. Sa vecinom od njih sam u srodstvu ili su
igrali neku ulogu u mom detinjstvu. Poneke s mukom prepoznam a neki su mi
potpuno strani. Melanholija pocinje da me gusi, dok mladi katolicki svestenik
mrtve spominje i na one kojima je zivot tezak podseca. Osecam prolaznost zivota, moc zaborava i moju beznacajnost a ono vecitio pitanje o smislu zivota ostaje
i ovoga puta bez odgovora.
Ostatak dana je posvecen zivima. Posle jedne case rakije i
neke spezialne baklave kod mog brata Ivice,
poboljsava se moje raspolozenje. Poredimo nacine zivota u Srbiji i
Svajcarskoj. Mene raduje da je Ivica svoju „Svajcarsku“ nasao u Srbiji. Na
kraju upoznajem Ivicinog unuka Stefana, najmladjeg clana nase familije. On je
11 dana star. Veoma mi prija da posle tolikih susreta sa osobama koje su vec
odavno prosle zenit svog zivota, upoznam i nekoga ko je tek na pocetku. Da
uzivam u radosti njegovih roditelja i da osetim da u nama tece ista krv. Da mi
pripadamo zajedno. I odjednom, sasvim usput, shvatim nesto veoma vazno: Da ce
kroz malog Stefana moja krv i dalje teci. Cak i onda kada mene vise ne bude
bilo.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen