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Samstag, 21. März 2020

Mein Trip nach LA in der Corona Zeit - Teil 5

 
Tag 5

 

Draussen war es kühl geworden. Trotzdem sassen die meisten Gäste immer noch im Garten. Die einen tanzten, die anderen wärmten sich unter den Wärmelampen. Inzwischen hatten sich Tischgruppen gebildet. Ich hatte genug getanzt und kannte auch niemanden so gut, um mich einfach zu jemanden hinzusetzen. Alejandro wollte ich nicht stören, da er beschäftigt war einer alten Flamme aus seiner Jugend den Hof zu machen. So ging ich in die Küche.
Die Küche war ein Ort an dem sich die Familie traf zu der ich mich hingezogen fühlte. Ich setze mich an den grossen Tisch. Bald sprach mich jemand an und schon fühlte ich mich nicht mehr so alleine. Mein Gesprächspartner wollte wissen wie lange ich noch bleibe. Ich erzählte ihm, dass ich bereits am Dienstag zurückfliege, obwohl ich noch 10 Tage bleiben wollte.
«Wie fliegst du dann zurück? Europa ist komplett zu!», sagte er.
«Ich weiss», antwortete ich. «Deshalb habe ich meinen Flug umgebucht. Ich fliege nach London und von dort aus nach Zürich.»
«Ich habe gerade gehört, dass Trump nun auch England und Irland zum Sperrgebiet erklärt hat.»
In diesem Augenblick kriegte ich es zum ersten Mal mit der Angst zu tun. Alles was ich bisher verdrängt hatte, stand so offensichtlich vor mir, dass ich nicht mehr wegschauen konnte. Ich schaute schnell auf meinem Handy. Ja, das stimmte. Auch London war zu. Ab Montag. Jetzt hatten wir Samstag. Mein bestehendes Ticket war für Dienstag. Ich musste schnell handeln. Leider war ich 3 Autostunden von Los Angeles entfernt und konnte erst morgen wieder zurückfahren. Der Versuch meinen Flug von Dienstag auf Sonntag umzubuchen scheiterte. Online ging es nicht. Mein Englisch reichte nicht für eine telefonische Umbuchung. Ich machte mich auf die suchte nach Alejandro. Er war immer noch mit der gleichen Frau zusammen.  Vermutlich bahnte sich da was an. Aber ich konnte keine Rücksicht auf sie nehmen. Ich bekam es langsam mit der Panik zu tun. Alejandro und ich suchten ein ruhiges Plätzchen im Haus. Ich erklärte ihm die Situation. Er rief für mich die Umbuchungsstelle an. Wir kamen in die Warteschlaufe – Wartezeit 2 Stunden.
«Buch du doch einen neuen Flug, solange du noch einen kriegst», sagte er. «Den bestehenden kannst später stornieren.»
Das war ein guter Rat. Ich bekam ein Ticket nach London für den nächsten Tag um 18.30 Uhr. Von London aus gab es immer noch Flüge nach Zürich. Zum doppelten Preis, natürlich. Doch das war mir egal. So wie ich mit allen Mitteln durchgekämpft hatte nach LA zu kommen, setzte ich jetzt alles in Bewegung um wieder nach Hause zu kommen. Auch wenn ich kein Flug nach Zürich bekommen hätte, wäre ich trotzdem nach London geflogen. Wenn man über den Ozean ist, ist man schon fast zu Hause. Schlimmstenfalls könnte mich mein Mann mit dem Auto holen.
«Doch wie komme ich jetzt nach LA?», fragte ich Alejandro.
«Ich fahre dich», sagte er mit einer absoluten Selbstverständlichkeit.
«Das kann ich nicht annehmen. Das ist deine Geburtstagsparty», antwortete ich. «Du kannst da nicht weg. Es ist erst 22 Uhr.»
«Doch, das kann ich.»
Mir war das überhaupt nicht recht, aber ich sah keine andere Möglichkeit und nahm sein Angebot an. Wir verabschiedeten uns schnell von der Familie und ich packte meine Sachen. Um halb elf fuhren wir bereits im Auto Richtung Los Angeles.  Ohne Rushhour dauerte die Fahrt nur anderthalb Stunden.
Wir verabschiedeten uns mit einer flüchtigen Umarmung. Corona hatte mich wieder völlig im Griff. Ich fühlte mich schlecht, weil er wegen mir seine Geburtstags-Party verlassen musste. Ausser einem grossen Dankeschön, und einem «Es tut mir leid» kam mir nichts gescheiter in den Sinn zu sagen. Er  fuhr nochmals nach Perris, um seinen Schwestern am nächsten Tag beim Aufräumen helfen zu können. Doch er wollte nochmals zurückkommen, um mich zum Flughafen zu fahren. Ich lehnte das Angebot ab. Ich wollte das Taxi nehmen.
Schnell packte ich meine Sachen, obwohl ich noch bis am Nachmittag im Hotel bleiben konnte, wollte ich parat sein. Falls etwas dazwischen käme und ich früher gehen müsste. Mein Handy lief heiss. Alle Verwandte und Bekannte wollten wissen wie es mir geht und ob ich irgendwo feststecke. Das machte mich ganz nervös. Die Angst wuchs. Werde ich es bis nach Hause schaffen? Oder lande ich in eine Quarantäne irgendwo unterwegs? Der einzige Trost war das Angebot von Alejandro, das er mir auf dem Weg nach LA gemacht hatte.
«Falls alle Stricke reissen, fahre ich dich mit dem Auto nach Mexico», sagte er. «Dort hat es bis jetzt einen einzigen Corona Fall gehabt. Von dort aus kann man noch überall fliegen.»
Danke Alejandro für dieses grosszügige Angebot! Das hat mir sehr geholfen. Einen Plan B zu haben ist immer sehr beruhigend.  Ich hoffe, ich werde mich irgendwann bei dir revanchieren können, lieber Freund.
Fortsetzung folgt…
 

 

 


 
 

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